Im Theatersaal saßen in einem großen Kreis die Schülerinnen und Schüler der beiden Ethik-Kurse der Jahrgangsstufe 10 und warteten gespannt auf die politischen Bildner von Trialog. Mit einer leichten Verspätung startete die Veranstaltung dann mit einer kurzen Begrüßung durch die Fachbereichsleiterin Bettina Dey.
Die beiden Bildner, Eran Bar-Am und Zakariyya Meißner, saßen mit den Schülerinnen und Schülern in einem großen Gesprächskreis. Zunächst stellten sich die beiden Gäste kurz vor:
Eran ist jüdisch und in Israel geboren. Er lebt seit 20 Jahren mit Frau und Kindern in Deutschland. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder im Krieg aufwachsen, deshalb kam ich hier her. Momentan ist es für mich schwer auszuhalten, was gerade in Israel und beim Nachbarn in Palästina passiert.“
Zakariyya ist Deutsch-Palästinenser. Sein Vater wuchs im Gazastreifen auf und flüchtete nach Deutschland, wo er seine Mutter kennenlernte. Zakariyya wuchs in Saarbrücken-Dudweiler auf und erinnerte sich: „In eurem Alter wurde in mir die palästinensische Identität immer stärker. Mir wurde klar, dass ich nicht – wie andere – meine Großeltern in Palästina besuchen konnte.“ Seit einem Jahr sei es so anstrengend hier in Deutschland geworden und die Politik mache ihn auch nur noch wütend, stellt Zakariyya weiter fest.
Die Initiatoren des staatlich geförderten Trialog-Projektes stellten sich die Frage, wie man mit Schülerinnen und Schülern über die Ereignisse des 7. Oktobers 2023 und seine Folgen ins Gespräch kommen könne. Und wie man im schulischen Kontext den Emotionen und Fragen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden könne. So bildeten sie Teams, bestehend aus je einem Menschen mit palästinensischen und einem mit israelischen Wurzeln, die zusammen in die Schulen kommen und mit den Schülerinnen und Schülern das Gespräch – den Trialog – suchen.
„Wir wollen euch hier keinen Vortrag halten. Wir wollen es schaffen, dass wir uns alle hier so wohlfühlen, dass man in diesem Raum über alles sprechen kann. Wir wollen einen „Brave Space“ schaffen“, erklärt Eran und stellt die Frage: „Was fällt euch zum 7. Oktober 2023 ein?“
Die Schüler brauchten nicht lange, um ihre Assoziationen wie zum Beispiel „unfairer Krieg“, “Terrorismus“, „Spaltung der Region in zwei Religionen (Judentum und Islam)“ und „Konflikt, der schon lange Zeit besteht“ zu äußern. Sensibel fragten die beiden Teammitglieder nach und gaben bereitwillig Informationen auf gestellte Fragen. Als besonders schockierend empfanden viele Schülerinnen und Schüler die Medienberichterstattung, die immer wieder Videos über die Lebenslage vor Ort zeige, besonders Bilder von Eltern, die ihre verletzten Kinder in den Armen trugen und um Hilfe schrien.
Betroffen äußerte sich auch eine Schülerin, die in Freundschaft mit einer palästinensischen Familie aufgewachsen sei, deren einer Familienteil noch im Gazastreifen lebe.
Ein anderer Schüler sagte zum Beispiel, er denke an die unschuldigen zivilen Personen, die ums Leben kämen und ein anderer Schüler stellt fest: „Der Konflikt spaltet ein bisschen die Welt – der Westen unterstützt Israel, der Osten Palästina.“
„Jetzt wollen wir euch einladen zu schauen, wie es euch damit geht. Wie fühlt ihr euch mit dem, was ihr da seht und hört?“, fragte Zakariyya in die Runde. Auf dem Boden, in der Mitte des Gesprächskreises, befanden sich nun Karten mit unterschiedlichsten Emotionen – wie „Verzweiflung“, „schuldig“, „ängstlich“, „ernst“, aber auch „Freude“, „glücklich“ oder „gelangweilt“, um die Schülerinnen und Schüler nicht in eine bestimmte Richtung zu drängen, erklärte Eran später. Die Schülerinnen und Schüler gingen im Raum umher und sahen sich die Karten an und achteten darauf, welche Emotionen sie ansprachen. Ein Schüler stellte anschließend fest: „Ich fühle mich auch irgendwie schuldig, dass es mir hier so gut geht und denen dort so schlecht.“ Darauf regte Zakariyya dazu an, zu überlegen, ob denn dieses Schuldgefühl gerade berechtigt sei und schlug vor: „Vielleicht sollte man eher dankbar sein, das es einem hier gut gehe und man möglicherweise von hier etwas tun könne.“ Es folgte noch eine offene Frage-Runde und abschließend gaben Eran und Zakariyya den Anwesenden noch den Rat: „Wenn euch das Thema beschäftigt, bleibt darüber im Gespräch.“
Einige Schüler äußerten sich auch nicht, wirkten aber nachdenklich und in sich gekehrt, was auch okay sei, erklärten die beiden politischen Bildner anschließend den Lehrkräften Florence Kunze und Björn Kempe, die sich beim Gespräch im Hintergrund auf das Zuhören beschränken mussten.