In mehreren deutschen Städten brannten am 10. Mai 1933 tausende Bücher von jüdischen, sozialistischen, pazifistischen und anderen den Nationalsozialisten unliebsamen Autoren und Autorinnen. Der „Verbrennungsakt“ bildete den traurigen Höhepunkt der etwa vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“. Urheberin der Kampagne war die von Nationalsozialisten durchdrungene Deutsche Studentenschaft.
Zu diesen „undeutschen“ Schriften, gehörten zum Beispiel Werke von: Heinrich Heine, Erich Kästner, Karl Marx, Sigmund Freud, Anna Seghers, Else Lasker-Schüler, Erich Maria Remarque, Rosa Luxemburg, Bertold Brecht und Kurt Tucholsky, um nur einige zu nennen.
Bibliotheken, Buchhandlungen, selbst Privathaushalte sonderten die verfemten Schriften aus, die öffentlich auf den Straßen und Plätzen verbrannt wurden. Das Spektakel wurde propagandistisch begleitet. Die Zeitungen berichteten, der Rundfunk übertrug live, und an vielen dieser makabren Scheiterhaufen hielten Nationalsozialisten „Feuerreden“.
Angehörige von NS-Organisationen hatten bereits vor dieser „Aktion“ Bücher aus Partei- und Gewerkschaftshäusern geplündert und vernichtet, und auch der 10. Mai bildete nicht den Endpunkt der „Aktion“. Vielmehr waren diese Geschehnisse nur der Auftakt zu weiteren Bücherverbrennungen, die bis in den Herbst 1933 hinein andauerten.
Parallel dazu begann eine beispiellose Verfolgung der Autoren selbst. Auf Denunziation, Schmähung und Berufsverbot folgte die Bedrohung gegen Leib und Leben. Das Diktum Heinrich Heines „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ von 1821 wurde schreckliche Wirklichkeit für viele, die nicht rechtzeitig ins Exil entfliehen oder untertauchen konnten.
„Viele Menschen wissen bis heute nicht, dass es auch hier eine Bücherverbrennung gegeben hat“, erzählt die Sprecherin des Mühlheimer Frauenbündnisses Ingrid Till. Umso wichtiger sei es daher, sich aktiv um eine gelebte Gedenkkultur zu bemühen und dafür zu sorgen, dass solche Ereignisse „nicht einfach unter den Teppich gekehrt“ werden.
Dass diese Details aus dem wohl dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte heute überhaupt bekannt sind, ist maßgeblich dem unerschöpflichen Engagement des Mühlheimer Frauenbündnisses sowie der Gruppe „Bunt statt braun“ zu verdanken. Gemeinsam haben sie die letzten Jahre damit verbracht, alte Bücher zu wälzen, Archive zu durchforsten, Zeitzeugen zu suchen. Schließlich initiierten sie, am früheren Festplatz eine Gedenkstele aufzustellen und so die Erinnerung an den 26. Mai 1933 zu bewahren.
Am vergangenen Freitag wurde diese Gedenkstehle nach einer Rede von Bürgermeister Dr. Krey unter den Augen vieler Mühlheimer enthüllt. Das Friedrich-Ebert-Gymnasium begleitete dies mit dem musikalisch-literarisch-theatralen Projekt „Brennende Gedanken“. In aufwendiger einjähriger Vorbereitung in enger Kooperation mit dem Komponisten Theodor Köhler ist es Marion Weilmünster, Claudia Röll-Bremer, Melanie Jahn, Kassandra Pape und Sabine Vehlhaber gelungen, mit über 80 aktiv mitwirkenden Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Ebert-Gymnasiums eine beeindruckende Performance zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Alten Festplatz zu präsentieren. Da wurden Autoren wie Erich Kästner und Bertold Brecht zum Leben erweckt und berichteten über die Vernichtung ihrer Werke, die Verfolgung und Flucht ins Exil. Auch die anwesenden Zuschauer wurden durch das Mitsingen des Liedes „Die Gedanken sind frei“ mit in das Geschehen eingebunden. An wechselnden Orten auf dem alten Festplatz wurden unterschiedliche Szenen der Schüler und Schülerinnen dargeboten, so dass auch das Publikum in Bewegung geriet, um dem Ganzen zu folgen. Die Mühlheimer Öffentlichkeit war zutiefst berührt und im besten Sinne „mitgenommen“.
„Wenn wir diese jungen Menschen sehen, machen wir uns weniger Sorgen um die Zukunft“, so Ingrid Till vom Frauenbündnis und Geschichtsverein Mühlheim nach der Veranstaltung. Die Bündnisse der Stadt Mühlheim waren mit ihrer Idee einer Gedenkstele am Ort der Bücherverbrennung der Auslöser für unsere künstlerisch-pädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema, so Marion Weilmünster.